Wie man sich bettet, so liegt man. Wir liegen des Nachtens nach einem Jahr Reisen wieder ganz entspannt in unserem eigenen Bett. Naja, ganz entspannt ist vielleicht etwas übertrieben, denn ganz entspannt kann man es sicherlich nicht nennen, wenn Tochter 2 wach ist und wir sie zu uns legen, damit sie im gemeinsamen Kinderzimmer nicht auch noch Tochter 1 weckt. Tochter 2 turnt dann – gar nicht müde – mitten in der Nacht durch unser Bett. Es ist ganz erstaunlich, wie sehr das Kind, fest in einen Schlafsack eingepackt, Turnen kann. David Copperfield wäre sicherlich beeindruckt. Dann endlich, schläft sie irgendwann wieder ein. Und zwar, darauf kann man bei kleinen Kindern wetten, quer im Bett. Im Netz kursiert dazu ein lustiges Bild, und allen Menschen ohne Kind sei gesagt, das ist wirklich so. Wir rollen uns, so gut es geht, zusammen und versuchen irgendwie noch etwas Schlaf zu bekommen, bis uns der Wecker aus demselbigen reisst. Aber immerhin, wir liegen in unserem Bett. Bequem, gemütlich, perfekt.
Ein Dorf namens St. Georg
Unser Dorf hat uns wieder. Ich spreche immer von „unserem Dorf“, dabei ist es einer der dicht besidelsten Stadtteile Hamburgs, direkt am Hauptbahnhof. Gefühlt befinden sich fast alle Hamburger Hotels hier in unserem Viertel, das in Reiseführern gern als „Stadtteil mit internationalem Flair“ beschrieben wird. Ständig sieht man verirrte Touristen umherlaufen, häufig old school mit einem Stadtplan in der Hand, gern Richtung Schwanenwik laufend auf der Suche nach der Elbe, wahlweise nach dem Rathaus. Und doch leben wir hier wie „auf´m Dorf“. Fast jeder kennt jeden. Nach Jahren mit Hund und nun schon ein paar Jahren mit Kind kennen wir jedenfalls die meisten Hundebesitzer und die meisten Eltern. Die Betreiber der Läden sowieso. Denn in St. Georg unterstützt man die alten und kleinen Geschäfte. Wir geben die Wäsche bei Martina ab, kaufen bei Jan den Wein und bei Wohlers die Bücher. Wir essen bei Franco, frühstücken bei Caravela und treffen uns nachmittags auf dem Spielplatz. Unsere Kinder gehen zusammen in die Kita oder singen gemeinsam im Chor. So soll sich das anfühlen. Von wegen Anonymität in der Großstadt. Herzlichkeit und Wärme lautet die Devise. Und so finde ich es ganz großartig, dass unser Stadtteil hilft, in diesen Zeiten, in denen viele Menschen von ihrem Zuhause fliehen mussten, mit nichts, als den Sachen, die sie am Körper tragen. Es wird warme Suppe gekocht, für die Flüchtlinge, die nach langer Odyssee hier ankommen – auf der Weiterreise gen Schweden, die umliegenden Hotels machen abwechselnd mit. Das Schauspielhaus, die naheliegende Moschee und die Kirchen bieten Schlafplätze und es gibt einen Bus, in dem Mütter in Ruhe ihre Kinder Stillen können. St. Georg hilft. Unser Dorf. Danke.
Zuhause
Wir haben es tatsächlich getan: wir sind wieder zuhause, nach einem Jahr des Reisens. Ist das gut? Ist das schlecht? Noch ist es ein irreales, nicht greifbares Gefühlswirrwarr. Ich gebe zu, der Wechsel hätte kaum markanter ausfallen können. Von der schwedischen Idylle direkt am Wald mit nur zwei Nachbarn zurück in die pulsierende Mitte Hamburgs. In unser Dorf direkt am Hauptbahnhof, mittiger geht es kaum.
Tochter 1 war ganz aufgeregt, endlich hatte sie ihre Freunde wieder, endlich ihr Spielzeug und endlich ist sie ein Vorschulkind.
Für Tochter 2 hingegen war Hamburg die ersten Tage wohl eher ein kleiner Kulturschock: in unserem schwedischen Domizil hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, allen vorbeifahrenden Autos zuzuwinken. Das waren am Tag vielleicht so drei, vier Stück. Zurück in Hamburg war sie nach wenigen Minuten der Verzweiflung nahe. Wie viele Autos kommen da denn noch? Nahe am Burnout hat sie das Winken hat sie mittlerweile aufgegeben. Dafür weiß sie den Weg zum Portugiesen mit dem leckeren Gebäck schon sehr genau.
Wir freuen uns, unsere Freunde und Nachbarn nach so langer Zeit wieder zu sehen, versuchen langsam dem Wäschenbergen Herr zu werden, wundern uns nach einem Jahr Minimalismus darüber, wie viele Sachen wir haben und genießen es, mal wieder im eigenen Bett zu schlafen. Und haben das Gefühl, doch gerade eben erst losgefahren zu sein. Kann es sein, dass ein Jahr so schnell vorbei ist? Es kribbelt schon wieder in den Beinen und man könnte doch nochmal, bevor Tochter 1 in die Schule kommt… Aber nein, jetzt sind wir erstmal zuhause. Auch schön.
Tschüss Schweden
Tschüss Schweden, Du Land von Pippi Langstrumpf, Bullerbü, Petterson und Findus, IKEA und Kurt Wallander. Du Land mit wunderbarer, atemberaubender Natur, klaren Badeseen, großen Felsen, riesigen Elchen, roten Häusern und fabelhaften Campingplätzen.
Mit Walderdbeeren, Blaubeeren, Preiselbeeren und Pfifferlingen vor der Tür. Mit wunderbaren Menschen gleich nebenan, großer Herzlichkeit und lustigen Festen. Mit einem „Du“ zu jedem – außer zur Königsfamilie. Mit leckerem Essen, unendlich vielen Zimtwecken (Kanelbullar) einem unglaublichen Hang zu Mayonnaise (fast zu allem, außer zu Köttbullar), mit Supermärkten ohne Alkohol (naja, jedenfalls nur bis 3,5% Alkohol, alles andere im Systembolaget), aber unzähligen Trinkliedern. Wir hatten eine tolle Zeit, die 3 Monate sind wie im Fluge vergangen. Wir werden Dich vermissen. Aber – wir sehen uns wieder. Bis dahin, hej då!
In der Astrid Lindgren-Welt
Unsere Kinder waren im Glück. Schon am Eingang begegneten wir der Prusseliese. Wir spazierten durch die Krachmacher Straße und begutachteten den Berg, den Klein-Lotta mit Tante Bergs Fahrrad hinunter geradelt ist. Dann schauten wir uns das Haus von Lotta an und konnten sogar einen Blick in ihr Kinderzimmer werfen. Nebenan im Haus von Tante Berg lag noch das Strickzeug auf dem Tisch und wenige Häuser weiter im Gefängnis schnarchte ein Sträfling in seiner Zelle.
In der Villa Kunterbunt trafen wir auf Kling und Klang, die zwei Polizisten, die gerade versuchten, Pippi Langstrumpf einzufangen, um sie ins Kinderheim zu bringen.
Zum Glück kam auch gerade ihr Vater Kapitän Langstrumpf vorbei, denn sein Schiff die Hoppetosse hatte im Hafen angelegt.
Obwohl die kleinen Theaterstücke auf schwedisch waren, schauten unsere Töchter gebannt zu und als Pippi Langstrumpf dann auch noch zu singen anfing, war Tochter 2 nicht mehr zu halten und tanzte wild mit.
Weiter ging es zu Madita, und anschließend zu Michel – der in Schweden Emil heißt und in Deutschland vermutlich wegen „Emil und die Detektive“ umbenannt wurde. Michel bekam gerade seinen Kopf nicht mehr aus der Suppenschüssel und wurde zum Doktor gebracht.
Nur kurze Zeit später zog er seine Schwester Ida am Fahnenmast hoch, damit diese bis in die Nachbarstadt Mariannelund schauen konnte.
Tochter 1 stockte der Atem, denn das kleine Mädchen, das die Ida darstellte, wurde tatsächlich am Fahnenmast hochgezogen. Unglaublich, oder? Karlsson vom Dach trat in kleinen Wettbewerben gegen die Besucherkinder an und Tochter 1 versuchte sich an dem Nicht-den-Boden-berühren-Parcour, genau so wie es die Kinder in Bullerbü immer taten.